Das ist nicht mehr mein Millerntor…
…kommt in diesen Tagen so manchem Stadionbesucher über die Lippen. Ich neige dazu den leisen ironischen Unterton zu überhören, da mir die neue Haupttribüne noch surreal erscheint. Ich muss erst eine Beziehung zu Ihr aufbauen.
Die Südtribüne hat es mir vor 2 Jahren vergleichsweise einfach gemacht, indem sie sich lautstark aufgedrängte. Für unsere Haupttribüne kann das kein Maßstab sein, denn sie trägt eine ungleich schwerere Hypothek: Mit ihrem kleinen in Beton gegossenen Unterstand und den Holzbänken war sie viele Jahre das einzige bisschen Stadionarchitektur. Sie gab mir das Gefühl in einem richtigen Fussballstadion zu stehen und nicht auf einem schlichten Erdwall, in den Stufen eingelassen wurden.
„Das…das ist ja nichts!“ stotterte mein Kumpel aus Freiburg und verharrte kopfschütteln auf dem Erdwall im Süden des Millerntores, der Mitte der 90ziger Jahre noch der Gästeblock darstellte. Nein, das konnte nicht das sagenumworbene Millerntorstadion sein, für das wir voller Vorfreude aus dem Südschwarzwald aufgebrochen waren.
Genauso ungläubig wie damals blicke ich heute von der Gegengeraden auf die Betongebilde, die mir die Abendsonne rauben und das Spielfeld verschatten: Auf zwei Tribünen verteilen sich unglaubliche 39 Logen (Pardon Séparées) und hunderte Business Seats - ich muss unter Wahrnehmungsstörungen leiden, das wäre die einfachste Erklärung.
Sollten die „Teppichstangen“ auf dem Dach der Haupttribüne heute abend Flutlichtathmosphäre verbreiten, die geschlossene Tribünenkonstruktion über dem Kita-Eck die Schallwellen aus dem Süden verstärken und sich der Stimmungsblock der alten Haupttribüne auf die Nordseite der neue Haupttribüne herübergerettet haben, werde ich auch ohne Blur und Torjubel nach einer Bierdusche verlangen - um auszuschliessen, daß ich träume.
Andernfalls wäre das nicht mehr mein Millerntor.